Segment Deutschland

Marktumfeld Deutschland und EU

Das Urteil des Europäischen Gerichts­hofs zur Rechtmässigkeit von Boni auf verschreibungspflichtige Medikamente durch EU-ausländische Versandapo­theken war im Berichtsjahr weiterhin das bestimmende Thema im deutschen Apothekenmarkt. Ein reaktionäres Verbot des Versandhandels mit ver­schreibungspflichtigen Arzneimitteln durch den deutschen Bundesgesund­heitsminister scheiterte in der abge­laufenen Legislaturperiode am Wider­stand verschiedenster Anspruchs­gruppen. Ein aktuelles Gutachten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bestätigt, dass Lieferungen von Versandapotheken eine effiziente und ergänzende Versorgungsform für die Bevölkerung in der Fläche sind.

Marktwachstum in Deutschland 1 — Europas grösster Medikamentenmarkt Deutschland stieg 2017 um rund 5 Prozent auf 41.5 Milliarden Euro. Der Marktanteil der Apotheken beläuft sich auf 86 Prozent. Der übrige Umsatzanteil von 14 Prozent wird über Spitäler und Kliniken generiert. Im Apothekenkanal beträgt der Versandanteil mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln 1 Prozent, während sich der Versandanteil mit rezeptfreien Arzneien auf 16.8 Prozent beläuft. Der Apothekenumsatz mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln stieg im Jahr 2017 um 5 Prozent auf 29.2 Milliarden Euro, im Bereich der rezeptfreien Präparate erhöhte er sich um 2 Prozent auf 5 Milliarden Euro. Der Versandumsatz legte im Jahr 2017 um 8 Prozent zu. Auf das OTC-Segment entfallen 73 Prozent Marktanteil – deutlich mehr als auf das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Präparaten. Auch das Wachstum liegt mit 10 Prozent im OTC-Versandhandel markant über dem Zuwachs für Rx-Präparate (+4 Prozent).

1 IQVIA™ Marktbericht, Entwicklung des deutschen Pharmamarktes im Jahr 2017

 

Nachwirkungen des EuGH-Urteils — Als unmittelbare Reaktion auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Oktober 2016 zu Boni auf Rezept für EU-ausländische Versandapotheken legte der deutsche Bundes­gesundheitsminister im Dezember 2016 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vor. Ziel des Gesetzes sollte es sein, «die bestehende flächendeckende, wohnortnahe und gleichmässige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln weiterhin zu gewährleisten». In der vergangenen Legislaturperiode des Deutschen Bundestags, die im September 2017 endete, konnte das Gesetzesvorhaben allerdings nicht verabschiedet werden.

Mehrere Bundesministerien sowie Parteien haben sich öffentlich geäussert und ein Rx-Verbot für europarechts- und verfassungswidrig erachtet. Dies spiegelt auch die Rechtsauffassung von DocMorris wider.

Im Jahresgutachten 2017/2018 des Sachverständigenrats zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für die deutsche Bundesregierung vom 21. November 2017 wird kritisiert, dass der restriktive Umgang mit Online-Apotheken durch bisweilen innovationshemmende Regulierungen auf der Nachfrageseite die Verbreitung der Digitalisierung verhindert.

Ein am 21. Dezember 2017 veröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Bundes­ministeriums für Wirtschaft und Energie kommt zu dem Ergebnis, dass «ein Verbot des Versandhandels vor dem Hintergrund der flächendeckenden Versor­gung nicht zu rechtfertigen ist, da der Versandhandel Arzneimittel direkt nach Hause liefert». Laut den Autoren kann der europäische Versandhandel «rein zeitlich nicht für die wirtschaftlich schwierige Lage vieler Apotheken verantwortlich gemacht werden».

Der vorliegende Koalitionsvertrag zwischen den Parteien CDU/CSU und SPD beinhaltet eine Passage zur Umsetzung eines Verbots des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Dort heisst es: «Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.»

Gestützt auf Gutachten und Aussagen vorheriger Bundesregierungen ist DocMorris nach wie vor überzeugt, dass dieses Vorhaben verfassungswidrig und europarechtlich inkompatibel ist. DocMorris wird daher im Interesse der Patientinnen und Patienten sowohl in Deutschland, als auch auf europäischer Ebene, alle notwendigen juristischen und opera­tiven Schritte unternehmen.

Telemedizin — Im Oktober 2017 genehmigte die Landesärztekammer Baden-Württemberg das bundesweit erste Modellprojekt zur ausschliesslichen Fernbe­handlung von Privatversicherten, um die ärztliche Versorgung der Bevölkerung zu ergänzen. Im Dezember folgte bereits ein weiteres Modellvorhaben für Kassenpatienten. Beide Projekte basieren auf der bundesweit einmaligen Regelung der ärztlichen Berufsordnung in Baden-Württemberg. Ärztliche Behandlungen können ausschliesslich über Kommunikationsnetzwerke erfolgen, und der Arzt darf eine individuelle Diagnose stellen sowie die Therapie einleiten. Ausgestellte Rezepte, bei denen kein direkter Kontakt zwischen Arzt und Apotheker vorausgegangen ist, dürfen aufgrund einer Neuregelung von November 2016 von Apotheken bislang allerdings nicht beliefert werden. Vonseiten der Landesregierung wurde bereits signalisiert, dass die Einlösung dieser Rezepte im Rahmen von Modellprojekten denkbar sei.

Öffentliche Konsultation zu Gesundheit im digitalen Binnenmarkt — Die Europäische Kommission startete im Juli 2017 eine öffentliche Konsultation, wie digitale Innovationen im Bereich Gesundheit und Pflege zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gesundheitssysteme in Europa gefördert werden sollen. Ziel ist die Nutzung digitaler Dienste zur Förderung von Bürger­beteiligung und integrierter personenzentrierter Versorgung. Der Fokus liegt dabei auf der gemeinsamen Nutzung von Daten über Grenzen hinweg durch interoperable elektronische Gesundheitsakten sowie die Verbindung und Weitergabe von Daten und Fachwissen, um Prävention, persönliche Gesundheit und Pflege zu verbessern.

Geschäftsentwicklung DocMorris

DocMorris vermochte ihre führende Marktstellung in Deutschland 2017 weiter auszubauen. Im Bereich der rezeptfreien Medikamente wuchs die Versandapotheke erneut deutlich stärker als der Gesamtmarkt und gehört damit auch beim OTC- Versand zu den führenden Versandapo­theken Deutschlands. Dank verstärkter Marketingaktivitäten, die sich an dauer­haft erkrankte Patienten mit einem regelmässigen Bedarf an rezeptpflich­tigen Medikamenten richten, entwickelte sich der Umsatz im Bereich der ver­schreibungs­pflichtigen Arzneimittel ebenfalls erfreulich.

Starkes Wachstum — DocMorris setzte auch im Jahr 2017 ihren Wachstumspfad erfolgreich fort. Mit EUR 370 Mio. konnte der Umsatz in Lokalwährung gegenüber dem Vorjahr um rund 19 Prozent gesteigert werden. Die Anzahl aktiver Kundinnen und Kunden erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr weiter deutlich und stieg im Berichtsjahr um 32 Prozent auf 1.8 Millionen. Die Anzahl von Bestellungen, die aktive Kunden innerhalb der letzten zwölf Monate getätigt hatten, verzeichnete ebenfalls einen starken Anstieg und wuchs im Berichtszeitraum um 26 Prozent auf mehr als 5 Millionen Bestellungen. Der durchschnittliche Warenkorb sank im Geschäftsjahr 2017 leicht um 5 Prozent auf 68 Euro. Grund hierfür war das stärkere Wachstum im Segment der rezeptfreien Arzneimittel im Verhältnis zur ebenfalls positiven Entwicklung im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente. 

Im Bereich der rezeptfreien Medikamente wuchs DocMorris erneut deutlich stärker als der Gesamtmarkt und gehört damit auch beim OTC-Versand zu den führenden Versandapotheken in Deutschland. Durch einen starken Zuwachs bei den Neukunden stieg der Umsatz in diesem preissensitiven Segment in Lokalwährung um 39 Prozent auf mehr als EUR 130 Mio. Auch in der diesjährigen Befragung des Deutschen Instituts für Service-Qualität belegte DocMorris erneut den ersten Platz in der Kategorie Apotheken. Von sich überzeugen konnte DocMorris die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Leistungsbereichen Preis-Leistungs-Verhältnis, Angebot, Kundenservice, Internetauftritt, Ver­sand und Rücksendung sowie Bestell- und Zahlungsbedingungen.

Im Segment der rezeptpflichtigen Medikamente stieg der Umsatz in Lokalwährung um über 10 Prozent auf rund 240 Millionen Euro. Forcierte Marketingaktivitäten, die sich an dauerhaft erkrankte Patienten mit einem regelmässigen Bedarf an rezeptpflichtigen Medikamenten richten, sowie die Aufhebung des Bonusverbots durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 trugen zu dieser positiven Entwicklung bei.

Telepharmazie — Im Gesundheitsbereich kommt es zu einer zunehmenden Unterversorgung ländlicher Räume. Völlig neue und digitale Ansätze sind daher erforderlich, um den Menschen vor Ort Lösungen zu bieten. Das Modellprojekt von DocMorris in Hüffenhardt zeigt, wie eine pharmazeutische Beratung und Versorgung in ländlichen Räumen aussehen könnte.

DocMorris installierte in der Gemeinde Hüffenhardt einen Arzneimittel­automaten für rezeptpflichtige und verschreibungsfreie Arzneimittel im Rahmen der Akutversorgung. Das pharmazeutische Personal berät den Kunden mithilfe eines Videoterminals aus der Zentrale von DocMorris im niederländischen Heerlen. Nur nach erfolgter Beratung kann der Kunde die verschreibungsfreien Arzneimittel bestellen oder sein Rezept nach eingehender pharmazeutischer Prüfung einlösen. Die Steuerung und Ausgabe der Arzneimittel durch das Abgabeterminal an die Kunden vor Ort erfolgt dann ebenfalls durch das pharmazeutische Personal.

Am 21. April 2017 wurde die Videoberatung mit Arzneimittelabgabe eröffnet, doch musste der Betrieb zumindest vorerst wieder eingestellt werden. Aufgrund eines gerichtlichen Urteils, erwirkt durch die Apo­theker vor dem örtlichen Landgericht in einem Zivilverfahren, darf  DocMorris den Service vorläufig nicht weiter anbieten. DocMorris hat aber bereits Klage vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

Chronic Match App — Im November 2017 lancierte DocMorris mit der Chronic Match App einen weiteren digitalen Service. In Deutschland sind mehr als 20 Millionen Menschen chronisch krank. Vielen hilft der Kontakt zu anderen Betroffenen, um mit ihrer Krankheit besser umgehen zu können. Der Bedarf an Information, aber auch das Bedürfnis nach Austausch ist gross. Mit der Selbsthilfe-App finden Menschen mit chronischen Krankheiten allerorts und zu jeder Indikation gezielt jemanden für ihren persönlichen 1:1-Chat. Die App ist eine Plattform, aus der auch Selbsthilfegruppen vor Ort entstehen können, und bietet Patienten eine Möglichkeit, ihren Alltag besser zu bewältigen.

Deutschlandweite Markenkampagne — Im November 2017 startete DocMorris in Deutschland eine multimediale Kampagne, um sich als Marke neu zu positionieren. Den Auftakt machte die gesellschaftliche Fragestellung «Und, wie geht’s uns morgen?», die über verschiedene Medien und Formate der Aussenwerbung ausgespielt wurde. Sie soll den Betrachter zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Thematik «Morgen» vor dem Hintergrund des Fortschritts durch Digitalisierung in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen anregen.

Die Apotheke DocMorris sieht es als ihre Aufgabe an, diese Frage im Gesundheitsmarkt schnellstmöglich mit digitalem Fortschritt zum Wohle des Patienten zu beantworten. Aufgabe ist also, den Menschen zu zeigen, wie die Digitalisierung im Gesundheitssystem das Leben bereichert und – wenn gewünscht – auch einfacher macht. Im ersten Quartal 2018 startet daher die Hauptkampagne mit TV-Spots, Online-Aktivitäten, Anzeigen sowie weiteren Massnahmen in der Aussenwerbung.

Kooperation mit Eurapon — DocMorris ist eine Kooperation mit dem Apotheker Kubilay Talu, dem Inhaber der Versandapotheke Eurapon mit Sitz in Bremen, eingegangen. Kubilay Talu beabsichtigt, mit DocMorris über die Eurapon Pharmahandel GmbH künftig eng zusammenzu­ar­beiten. Später ist geplant, das Versandgeschäft von den Niederlanden aus zu betreiben. Damit wird ein Standort gewählt, der im europäischen Umfeld für eine international tätige Versandapotheke vorteilhaft ist. DocMorris übernahm Ende 2017 die Eurapon Pharmahandel GmbH und damit einen wesentlichen Teil der Logistik sowie die Medikamentenbelieferung für das Eurapon-Versandgeschäft. Eurapon erzielte 2016 mit ihrem auf rezeptfreie Medikamente ausgerichteten Versandgeschäft einen Umsatz von 52 Millionen Euro und wuchs in den letzten drei Jahren mit jährlich 30 Prozent deutlich über dem Marktdurchschnitt.

Übernahme von Vitalsana — DocMorris übernahm per Ende 2017 von der Ströer SE & Co. KGaA die Versandapotheke Vitalsana B.V. in Heerlen sowie den dazugehörigen Dienstleister ApDG GmbH in Ulm. Im Zuge der Akquisition bündelt sie einen wesentlichen Teil ihrer Versandaktivitäten in der Euroregion Aachen/Heerlen und realisiert Synergieeffekte entlang der gesamten Wert­schöpfungskette. Vitalsana erwirtschaftete mit ihrer primär auf rezeptfreie Medikamente ausgerichteten Versandapotheke 2016 einen Umsatz von 30 Millionen Euro.

Geschäftsentwicklung Zur Rose Pharma

Zur Rose Pharma in Halle an der Saale hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend zu einem Kompetenzzentrum für Marketing und Services im Gesundheitswesen entwickelt. Auch 2017 konzentrierte sie ihre Service­leistungen auf die inhabergeführte Apotheke Zur Rose. Die Umsatzentwicklung war gegenüber dem Vorjahr stabil.

Um das Potenzial von Zur Rose Pharma als Kompetenzzentrum für Marketing und Services noch besser ausbauen und nutzen zu können, erfolgte Ende 2017 der Entscheid durch die Zur Rose-Gruppe, Zur Rose Pharma vollumfänglich als Gesundheitsdienstleisterin für die Gesellschaften der Zur Rose-Gruppe zu posi­tio­nieren. Die Neuausrichtung geht einher mit den Plänen von Ulrich Nachts­heim, Inhaber der Apotheke Zur Rose in Halle, altersbedingt kürzer zu treten und sich aus dem Versandgeschäft zurückzuziehen. Im Rahmen einer Nachfolge­­lösung wird beabsichtigt, die Versandkunden, sofern sie dies wünschen, ab Mitte 2018 von den Niederlanden aus von einer neu zu gründenden Versandapo­theke zu bedienen, die eine Tochtergesellschaft der Zur Rose-­Gruppe ist.

40 Mitarbeitende sind ab Mitte 2018 vom Wegfall von Logistikdienstleist­ungen und administrativen Aufgaben für die Apotheke Zur Rose am Standort Halle betroffen. Für sie werden umfangreiche Massnahmen über einen Sozialplan hinaus eingerichtet, um sie bei der Suche nach einer Anschlusslösung proaktiv zu unterstützen. Zur Rose Pharma beschäftigt in Halle weiterhin rund 90 Personen und beabsichtigt, den Standort für Dienstleistungen künftig weiter auszubauen.