Segment DeutschlandMarktumfeldGeschäftsentwicklung
In Deutschland wird die Digitalisierung des Gesundheitswesens auch auf gesetzgeberischer Ebene weiter zügig vorangetrieben. Ab dem 1. Januar 2022 dürfen ärztliche Rezepte in Deutschland grundsätzlich nur noch in elektronischer Form ausgestellt werden. Zudem wurde die zertifizierte «App auf Rezept» als digitale Gesundheitsanwendung in die gesetzliche Gesundheitsversorgung eingeführt.
Marktwachstum in Deutschland 1
Europas grösster Medikamentenmarkt Deutschland stieg 2020 um 6.7 Prozent auf fast EUR 50 Mrd. Der Marktanteil der Apotheken beläuft sich auf 86 Prozent. Der übrige Umsatzanteil von 14 Prozent wird über Spitäler und Kliniken generiert. Im Apothekenkanal beträgt der Versandanteil mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln knapp 1 Prozent 2, während sich der Versandanteil mit rezeptfreien Arzneien auf 24.9 Prozent beläuft. Der Apothekenumsatz mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln stieg im Jahr 2020 um 7 Prozent auf EUR 35.3 Mrd., im Bereich der rezeptfreien Arzneimittel sank er um 5 Prozent auf EUR 4.9 Mrd. Der Umsatz von rezeptfreien Produkten (OTC-Arzneimittel und apothekenübliche Waren) aus dem Apothekenversandhandel stieg um fast 16 Prozent und liegt im Jahr 2020 bei EUR 2.4 Mrd. Die wichtigste Produktsparte sind OTC-Arzneimittel mit einem Umsatzanteil von 50 Prozent, gefolgt von Gesundheitsmitteln, auf die ein Anteil von 29 Prozent entfällt.
1IQVIA™ Marktbericht Classic, Entwicklung des deutschen Pharmamarktes im Jahr 2020
2Bundesministerium für Gesundheit: Finanzergebnisse der GKV 1.– 3. Quartal 2020 (KV45)
Patientendaten-Schutz-Gesetz
Mit dem im Oktober 2020 in Kraft getretenen Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) treibt die deutsche Bundesregierung die Digitalisierung weiter konsequent voran. Unter anderem dürfen ärztliche Arzneimittelrezepte ab dem 1. Januar 2022 grundsätzlich nur noch in elektronischer Form in der Telematikinfrastruktur ausgestellt werden. Weiterhin regelt das PDSG, dass Patienten künftig elektronische Rezepte auf ihr Smartphone laden und in einer Apotheke einlösen können. Die gematik wird die dazu passende App entwickeln, um die mobile Speicherung des entsprechenden QR-Codes zu ermöglichen. Die Einlösung der elektronischen Verordnung kann entweder digital über die App oder alternativ als Ausdruck mit einem 2D-Barcode in jeder Apotheke erfolgen.
Krankenhauszukunftsgesetz
Im Oktober 2020 ist das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) in Kraft getreten. Mit einem Investitionsprogramm beschleunigt die deutsche Bundesregierung die Digitalisierung in den Spitälern. Ab dem 1. Januar 2021 stehen Krankenhäusern EUR 3 Mrd. zur Verfügung, die in moderne Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und die IT-Sicherheit investiert werden sollen. Das KHZG bietet medizinischen Einrichtungen somit auch die Möglichkeiten, ihre Notaufnahmen digital aufzurüsten.
Digitale-Versorgung-Gesetz
Mit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) wurde Ende 2019 die «App auf Rezept» als digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) für Patienten in die Gesundheitsversorgung eingeführt. Dies ermöglicht Ärzten und Psychotherapeuten die Verschreibung digitaler Gesundheitsanwendungen, also zertifizierter Gesundheits-Apps, die dabei helfen, Krankheiten zu erkennen, zu überwachen, zu behandeln oder zu lindern. Voraussetzung ist, dass ein Arzt eine entsprechende Erkrankung oder Verletzung diagnostiziert hat und eine für die Therapie passende DiGA im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) enthalten ist. Dafür durchläuft die App ein Prüfverfahren auf Datensicherheit und Funktionalität beim BfArM. Seit Oktober 2020 sind die ersten zugelassenen Apps Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen und damit erstattungsfähig. Deutschland ist das erste europäische Land, in dem dies möglich ist.
Digitale-Versorgung- und Pflege-Modernisierungs-Gesetz
Mit dem Digitale-Versorgung- und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPG) plant das Bundesgesundheitsministerium weitere Änderungen beim E-Rezept. Der Entwurf sieht vor, dass Versicherte E-Rezepte auch ohne entsprechende App oder ausgedruckten QR-Code, sondern zusätzlich per elektronische Gesundheitskarte abrufen können sollen. Versicherte und Leistungserbringer erhalten ab 2023 bzw. 2024 digitale Identitäten, mit denen dann auch eine sichere Authentifizierung in Videosprechstunden möglich sein wird. Denn mit dem Gesetz wird der Ausbau der Telemedizin weiter beschleunigt. So wird die Vermittlung von Vor-Ort-Arztterminen zukünftig um den Bereich der telemedizinischen Leistungen ergänzt, sodass Versicherte ein Angebot aus einer Hand erhalten. Zudem werden die abrechenbaren Videosprechstunden von 20 auf 30 Prozent der ärztlichen Leistungen pro Quartal erhöht. Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich Mitte 2021 in Kraft treten.
Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz
Mit dem im Dezember 2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) wird EU-ausländischen Apotheken, zu denen auch DocMorris zählt, erneut die Bonus-Zahlung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel an Patienten in Deutschland verboten. Damit umgeht der deutsche Gesetzgeber ein höchstrichterliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs EuGH (AZ C-148/15). In dieser Rechtssache entschied der Gerichtshof 2016, dass Apotheken im EU-Ausland nicht an die deutsche Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente gebunden sind und ihren Kunden Rabatte gewähren dürfen, um einen wettbewerblichen Nachteil auszugleichen. EU-ausländische Apotheken sind durch das VOASG nun wieder gegenüber den deutschen Apotheken in ihrem Marktzugang benachteiligt, denn erst der Bonus stellte gleiche Wettbewerbsbedingungen im deutschen Markt her. Eine Reaktion der EU-Kommission zum erneuten gesetzlichen Bonus-Verbot lag bis zur Erstellung des Geschäftsberichts noch nicht vor. Es ist immer noch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland hinsichtlich des Verstosses gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs anhängig, das die EU-Kommission unmittelbar an den EuGH verweisen kann (Nr. 2013/4075). Die Apotheke DocMorris wird die rechtlichen Möglichkeiten gegen das Bonus-Verbot nutzen.
Digital Services Act
Die EU-Kommission hat im Dezember 2020 ihren Vorschlag für den Digital Services Act vorgelegt, mit dem sie einen neuen Rechtsrahmen für digitale Dienste schaffen will. Der Vorschlag sieht umfassende Berichts- und Sorgfaltspflichten für Online-Plattformen vor, unter anderem Transparenzregeln für Online-Werbung und erweiterte Auskunftspflichten in den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine Abstufung der Pflichten erfolgt abhängig von der Grösse der Plattform, die unter anderem an aktiven Nutzerzahlen bemessen wird. Alle Online-Vermittler, die ihre Dienste im Binnenmarkt anbieten, müssen die neuen Vorschriften beachten, unabhängig davon, ob sie in der EU oder ausserhalb niedergelassen sind. Die Zustimmung der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments steht noch aus. Die Kommission strebt ein zügiges Verfahren an, mit einem Inkrafttreten ist allerdings nicht vor 2022 zu rechnen.